Vom Wald und von der Angst
- Dayana Gmünder
- 3. Apr. 2021
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Sept. 2022
Wälder können eine ungeheuer kraftvolle Wirkung auf unseren Körper und unsere Psyche haben. Dies bestätigen diverse Studien. Doch was ist, wenn die Angst vor dem Wald dazwischen kommt? Davon handelt dieser Beitrag.
Anfang März 2021 war ich für ein paar Tage alleine auf dem Jakobsweg in den Kantonen Bern, Waadt und Fribourg unterwegs. Gleich zu Beginn führte mich der Weg durch einen grossen Wald. Ich liebe Wälder, ich liebe die Pflanzen, die vielen Grün- und Brauntöne, das hindurchscheinende Licht und die kraftvolle Atmosphäre. Und ich fürchtete mich bisher, alleine in einem Wald zu sein. Davor, dass mich plötzlich ein Tier oder Mensch packen und ich verenden könnte, ohne dass es jemand bemerken würde. In meinem Fall steht dies symbolisch für die Angst vor Ohnmacht und absoluter Verlassenheit. Gefühle, die aus einer Zeit stammen, in der ich als Kind abhängig war und die ich nie mehr fühlen wollte.
In besagtem Fall hätte ich auch um den Wald herum gehen können. Doch ich sah die Chance, die sich mir bot. Ich trat also in den wunderschönen Wald ein und befand mich auf einem schmalen, geraden Waldweg. Ganz weit weg sah ich bereits das Licht, das Ende des Waldes.

Je weiter ich in den Wald hineinspazierte, desto mehr Angst kam in mir auf. Jedes Rascheln zog meine ganze panische Aufmerksamkeit auf sich. Doch ich blieb auf dem Weg und nahm meine Gefühle so bewusst wie möglich wahr. Ich versuchte, Vertrauen ins Leben zu haben und viel Liebe und Mitgefühl für das ängstliche Kind in mir aufzubringen. So ging ich extra langsam ca. 45 Minuten auf dem Weg in diesem wunderbaren Wald. Als ich schliesslich herauskam, befand sich direkt vor mir ein Kanal mit Schilfufer. Ich sah einen Eisvogel vorbeifliegen. Es schien mir, als sei ich im Paradies angekommen. Ich war berührt. Berührt von der Schönheit der Natur, von dieser unerwarteten Wende und berührt von meinem Mut. So ist es also, wenn man sich der Angst stellt und sie nicht wegmachen will, dachte ich mir später. Es schien völlig surreal und trotzdem war ich voll präsent.

Die darauffolgenden Tag führte mich der Jakobsweg noch einige Male durch verschiedenste Wälder. Auenwälder, Mini-Wälder und solche, wo wegen der grossen Schneelast in diesem Winter nur noch einzelne Bäume standen. Allen gemein war, dass ich beim Hindurchspazieren keine Panik mehr hatte. Die Angst war noch ab und an da und wird es vielleicht immer sein, aber sie hält mich nicht mehr davon ab, einen Schritt über mich hinauszugehen.
Auch jetzt finde ich es immer noch schier unglaublich und ich bin sehr dankbar, dass ich nun – zumindest bei Tageslicht – entspannt alleine durch den Wald spazieren kann. Mein Mut wurde belohnt mit mehr Freiheit.
Der Wald also... Ein Kraftort. Ein Ort, der mit seinen vielen Bäumen und den versteckten Tieren Angst machen kann. Und ein Ort, der durch seine Präsenz als Katalysator für innere Kraft wirken kann. Ein Ort, an dem Heilung geschehen kann...
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