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Bindungstrauma heilen: Mut zur Veränderung trotz Wachstumsschmerzen

Aktualisiert: 14. Aug.

Unser Bindungstrauma zu heilen ist wie das Durchbrechen einer Eierschale: unbequem, manchmal schmerzhaft – und doch der einzige Weg, um in ein grösseres, freieres Leben hineinzuwachsen. In diesem Beitrag schreibe ich über den Mut, unsere Bindungsmuster zu verändern und alte Beziehungen loszulassen – und über Wachstumsschmerzen, die zu diesem Prozess dazugehören.




Wie oft wünschen wir uns so sehr Veränderung – wünschen uns, dass es uns endlich besser geht. Dass das im Kopf längst Verstandene endlich im Körper, in unserem ganzen Sein ankommt. Dass wir entspannt und reguliert durch unseren Alltag gehen, Vertrauen ins Leben haben und tief im Herzen wissen: Alles geschieht zu unserem höchsten Wohl.


Und doch wünschen wir uns oft gleichzeitig, dass diese Veränderung bitte so geschehen möge, dass sich in unserem Umfeld nichts verändert.



Wenn Heilung zuerst mehr wehtut als hilft


Also machen wir und tun: Wir widmen uns der Nervensystemarbeit, der Traumaarbeit, wir heilen unser inneres Kind, kurz: wir sind dabei, unser Bindungstrauma, ja alle unsere emotionalen Verletzungen aus der Kindheit, zu heilen. Wie es uns dabei geht? Es ist mal anstrengend, mal zutiefst berührend, mal befreiend... Doch gefühlt geht es uns nicht sofort besser – oft ist sogar eher das Gegenteil der Fall.


Je mehr wir uns mit uns selbst befassen, je mehr wir uns trauen, unsere Gefühle und Körperempfindungen wahrzunehmen, je mehr wir in unserem Körper und auf dieser Erde ankommen, desto deutlicher spüren wir auch, was nicht mehr gut für uns ist. Und meist ist das nicht wenig. 


Wir sind gefordert, auch im Aussen zu handeln und beginnen also, kleinere Veränderungen vorzunehmen: Wir ernähren uns vielleicht gesünder. Vielleicht gönnen wir uns mehr Schlaf. Wir nehmen uns vielleicht mehr Zeit für uns selbst. Vielleicht verändern wir sogar unsere berufliche Laufbahn.


Doch innerlich merken wir oft: Das reicht noch nicht. Das Leben ist immer noch nicht wirklich leichter geworden.



Bindungstrauma heilen heisst auch, alte Beziehungen zu hinterfragen


Irgendwann kommt der Moment, in dem wir anfangen zu spüren, dass sich gewisse Beziehungen nicht mehr stimmig anfühlen. Dass wir uns mit unserem Wesen nicht wirklich zeigen können. Dass unsere Veränderung vielleicht gar nicht erwünscht ist – dass die Menschen um uns zwar wollen, dass es uns besser geht, aber bitte so, dass wir dieselbe Person bleiben.


Was jetzt?


Wir spüren, dass es wieder Zeit für Veränderung ist. Doch dieser Punkt kann sich wie sterben anfühlen – und viele versuchen, ihn zu umgehen. Es ist der Moment, in dem wir unser gelerntes Bindungsverhalten nicht länger aufrechterhalten können oder wollen. Der Moment, in dem wir unsere alten Bindungsmuster verändern müssen. 


Sei es in Freundschaften, Liebesbeziehungen, mit den Eltern oder Geschwistern: Je enger und älter die Beziehung, je grösser die Abhängigkeiten und Verstrickungen, desto tödlicher fühlt sich dieser Schritt an. Am schwierigsten ist die Loslösung von unseren Eltern, vor allem von unserer Mutter. Dementsprechend ist es auch oft so, dass wir zuerst alle anderen möglichen Veränderungen vornehmen, nur um diese Beziehung nicht zu gefährden. Wir suchen an allen möglichen Stellen und merken aber irgendwann, dass unser Nervensystem nach wie vor sehr empfindlich reagiert und wir uns immer noch irgendwie im Mangel fühlen. 


Denn der Herzschmerz, das Stechen in der Brust beim Loslösen von unseren Eltern (oder auch unseren Geschwistern oder Liebsten) – es ist kaum auszuhalten. Als Kind hätte eine solche Abweichung tatsächlich lebensbedrohlich sein können, denn wir waren von unseren primären Bindungspersonen abhängig. Heute ist es das nicht mehr – und trotzdem reagiert unser Körper so, als ginge es ums Überleben.


Unsere ursprüngliche Bindungsbeziehung zu „verraten“ kann sich so schmerzhaft anfühlen, dass unser Verstand alle möglichen Gründe findet, diese Verbindung doch in alter Form zu halten:



„Ich übertreibe, eigentlich ist es doch gar nicht so schlimm.“ 


„Ich sehe sie/ihn ja gar nicht so oft, da muss ich nichts verändern.“ 


„Wenn ich die Beziehung beende, bin ich allein.“ 


„Wenn ich mich verändere, passiert mir/der anderen Person etwas Schlimmes.“




Doch tief drinnen wissen wir: Damit betrügen wir uns letztendlich selbst. Unser Körper spürt es, unsere Seele auch.



Wachstumsschmerzen – sie gehören zur Heilung eines Bindungstraumas dazu


Eine Beziehung zu beenden oder sich anders als gewohnt zu verhalten, fühlt sich wie sterben an, weil tatsächlich ein Teil von uns stirbt. Es ist das alte Ego, das einst Masken und Strategien entwickelt hat, um uns vor erneuter Verletzung zu schützen. Wir verlassen gewohnte Bahnen im Gehirn – und das fühlt sich für unser System hochgefährlich an.


Was es noch schwieriger macht, sind die Gedanken, die unser Kopf dann oft produziert. In seiner Vorstellung gilt meist das Alles-oder-gar-nichts-Prinzip. Also entweder eine Beziehung zu haben oder gar keine Beziehung.

Auch mir ging es so und manchmal tut es das immer noch. Doch ich weiss mittlerweile auch, dass es nicht nur schwarz und weiss gibt. Manche meiner Beziehungen haben vielleicht eine kürzere oder auch längere Pause durchlaufen, eine Zeit, in der ich meine Grenze ziehen und wahren musste. Doch sie sind oftmals auch auferstanden und haben nun eine ganz andere Qualität als früher. Denn eine Grenze unsererseits stösst auch immer einen Wachstumsprozess in der anderen Person an, auch wenn es von aussen nicht so scheint und wir vielleicht von Schuldgefühlen geplagt sind. 


Natürlich gibt es auch Beziehungen, die wirklich zu Ende gegangen sind. Und das war und ist teils wirklich hart. Doch wenn wir unser Bindungstrauma heilen wollen, dürfen wir diese Schmerzen als das sehen, was sie sind: Wachstumsschmerzen.


Wie Küken, die ihrem Ei entwachsen, müssen wir die Schale – unsere alte Schutzschicht – durchbrechen. Das kostet Kraft, ist unbequem und wir wissen nicht, was danach kommt. Wir spüren nur: Es ist notwendig und richtig.


Sobald wir einmal angefangen haben, geht der Prozess weiter. Wir wachsen, bis wir das nächstgrössere Ei ausfüllen und an eine neue Grenze stossen – die nächste „Ei-Schicht“. Wieder Veränderung, wieder ein innerer Geburtsprozess. Es ist nicht angenehm, doch jedes Mal werden wir gesünder, freier, grösser und selbstbewusster.



Zum Schluss: Bindungstrauma heilen braucht Mut und Hingabe


Wenn du gerade vor einer dieser Ei-Schichten stehst, wenn du dir nur wünschst, dass es endlich leichter wird, dann möchte ich dir sagen: Ich ziehe den Hut vor dir.


Ich weiss, wie schwer es ist. Ich weiss, welchen Preis gelebte Selbstliebe haben kann. Und doch möchte ich dich ermutigen, den Mut zu fassen, durch diese Schicht zu gehen.


Mit der Zeit bilden sich neue neuronale Bahnen. Du wirst dich fragen, wie du je anders leben konntest. Dein Körper wird freier atmen, deine Energie besser fliessen, deine Lebensfreude wachsen.


Die nächste Ei-Schicht wird kommen – aber du wirst sie gelassener meistern.


Sich wirklich für Heilung zu entscheiden heisst, immer wieder durch diese Schichten zu gehen. Mit jedem Mal verliert das Widerstand-leistende, ängstliche Ego an Kraft – und wir können uns der inneren Arbeit mehr und mehr hingeben.


Denn unser Bindungstrauma zu heilen bedeutet, immer wieder eine Eierschale zu durchbrechen – Schicht für Schicht. Jedes Mal kostet es Mut, Energie und Vertrauen. Doch mit jedem Riss, den du wagst, wird dein Leben ein Stück grösser, heller und freier. Und irgendwann merkst du: Die Eierschalen, die dich einst geschützt haben, brauchst du nicht mehr – weil du gelernt hast, dich selbst zu halten.







Hast du Angst vor deiner nächsten Ei-Schale?


Du musst nicht alles alleine schaffen. Manchmal reicht ein Gespräch oder eine Reiki (Fern-)Behandlung, um dich sicherer fühlen zu lassen.


Und manchmal braucht es zuerst mehr Stabilität, die wir Schritt für Schritt in einer Traumatherapie in meiner Praxis in Zürich aufbauen können.


Schreib mir gerne– und wir finden zusammen heraus, was dich am besten unterstützt, damit du deine nächste Ei-Schicht mutig durchbrechen kannst.






Literaturempfehlung:


  • Entwicklungstrauma heilen – Laurence Heller & Aline LaPierre


  • Befreiung von Scham und Schuld – Laurence Heller & Angelika Doerne


  • Ich brauche deine Liebe - ist das wahr? – Byron Katie


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